Ausstellungsbesuch im Museum Ludwig, 15.10.2018: Gabriele Münter: Malen ohne Umschweife.
Von Christiane Möschle.
Bildnis einer Künstlerin (Margret Cohen), 1932
Gabriele Münter (1877 – 1962) war eine zentrale Künstlerfigur des deutschen Expressionismus und der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, deren Gründung in ihrem Haus in Murnau stattfand. Farbintensive Porträts, romantische Landschaftsbilder, seltene Fotografien von einer USA-Reise, außerdem Interieurs, abstrakte Grafiken und sogar primitivistische Bilder – all das versammelt die Ausstellung im Kölner Museum Ludwig, die in Zusammenarbeit mit dem Münchner Lenbachhaus entstand.
Münter wird am 19. Februar 1877 in Berlin geboren. Ihre deutsch-amerikanischen Eltern sind wohlhabend und fördern früh ihr künstlerisches Talent.
Ab 1897 nimmt sie in Düsseldorf Zeichenunterricht und zieht nach dem Tod beider Eltern und einem zweijährigen Aufenthalt in Amerika schließlich nach München.
Dort besucht sie an der von dem russischen Künstler Wassily Kandinsky geführten privaten Kunstschule “Phalanx” Kurse. Ihre frühen Werke sind impressionistisch geprägt.
Der verheiratete Kandinsky beginnt bald eine Liebschaft mit Gabriele Münter, verlobt sich 1903 sogar mit ihr, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch verheiratet war. Kandinsky sagte einmal, dass er ihr nichts beibringen könne, weil sie alles von Natur aus habe, und trotzdem wird Münter in den Jahren mit Kandinsky hauptsächlich als seine gelehrige Schülerin wahrgenommen und nicht als eigenständige Künstlerin.
Zwischen 1904 und 1908 unternehmen sie gemeinsam Reisen u.a. nach Holland, an die italienische Riviera und nach Paris, wo Gabriele Münter auf die künstlerische Avantgarde der Zeit, wie Matisse, trifft. Die Fauves, die „wilden“ französischen Maler beeinflussen und verändern ihre Malweise.
Ab 1909 besitzt Gabriele Münter ein Anwesen am Staffelsee in Murnau, welches rasch zum beliebten Treffpunkt der jungen avantgardistischen Maler wird. Dazu zählen Franz Marc, Marianne Werefkin, August Macke und Alexej Jawlensky.
Der Erste Weltkrieg zwingt Gabriele Münter und Kandinsky zur Flucht in die Schweiz. Kandinsky kehrt daraufhin in seine Heimat Russland zurück, während Gabriele Münter nach Stockholm auswandert. Die Beziehung geht in die Brüche. Es folgen Aufenthalte in Kopenhagen, Köln, München und Murnau. Ab 1925 lebt sie in Berlin und fertigt zahlreiche Aktzeichnungen. Nach einem Paris-Aufenthalt lässt sie sich erneut in Murnau nieder. Dort entstehen Ölmalereien mit Blumen und abstrakten Inhalten.
“Was an der Wirklichkeit ausdrucksvoll ist, hole ich heraus, stelle ich einfach dar, ohne Umschweife, ohne Drum und Dran, so bleibt die Vollständigkeit der Naturerscheinung außer acht, die Formen sammeln sich in Umrissen, die Farben zu Flächen, es entstehen Abrisse der Welt, Bilder.“ So formulierte Gabriele Münter einmal ihre Vorstellung von malerischer Kreativität. Und so heißt auch die Ausstellung „Malen ohne Umschweife“ und zeigt mit 120 Gemälden und Fotografien das vielseitige Werk dieser wichtigen deutschen Künstlerin.
Münter gehört zu den wenigen erfolgreichen Frauen der künstlerischen Moderne. Ihre Offenheit und Experimentierfreudigkeit als Malerin, Fotografin und Grafikerin, vor allem aber ihre Eigenständigkeit als Künstlerin wird nun zum ersten Mal ausführlich präsentiert.
Stilleben mit Heiligem Georg, 1911 Allee im Park von St. Cloud, 1908
Gezeigt werden neben bekannten Porträts und Landschaftsbildern, auch ihre Stilleben mit russischen Heiligen und bayrischen Schnitzfiguren, die ihren Sinn für Humor offenbaren, und vor allem ihre Fotografien, die sie um 1900 bei ihrem Aufenthalt in den USA aufgenommen hat. Von Verwandten bekommt sie eine Kodak-Kamera geschenkt, mit der sie ihre Reise dokumentiert.
Münter dokumentiert malerisch auch immer wieder Zeitgeschichte, wie den Bau von Hitlers Olympiastraße nach Garmisch-Partenkirchen, die anlässlich der Winterspiele 1936 errichtet wurde, malt das blaue Ungeheuer, den Bagger, der frisst und fallen lässt. Sie versucht sich im Abstrakten, im Naiven, malt Bilder nach Kinderzeichnungen. Jede Wand der Ausstellung zeigt eine andere Facette Münters, zeigt ihre Entwicklung von ihren impressionistischen Anfängen hin zur bedeutendsten deutschen Expressionistin, und gibt auch private Einblicke in das Leben dieser außergewöhnlichen Künstlerin.
Köln wurde als Ausstellungsort nach München und Kopenhagen sicher nicht zufällig ausgewählt. Münters erste Einzelausstellung fand 1908 im Kunstsalon Lenobel in Köln statt.