Von Mirle Heinzen
Prolog: 40 + 1 Jahre Partnerschaft. 40 + 1 Jahre lebendiger Austausch, Besuche, Inspiration und Unterstützung. Unsere Clubpartnerschaft mit St Gallen geht in eine neue Dekade, und das musste natürlich gebührend gefeiert werden. Aber wieso nicht im geraden Jubiläumsjahr, sondern erst jetzt feiern? Weil unsere Clubschwestern in St Gallen ihr 100-jähriges Bestehen dieses Jahr zelebrieren durften! Somit gab es gleich mehrere freudige Anlässe, sich in die Schweiz zu begeben.
Tag 1: Bereits vor 9 Uhr fanden sich neun Kölnerinnen am Kölner Hauptbahnhof ein. Eigentlich sollten es zehn sein, aber unsere frisch-gebackene Vizepräsidentin sieht Zeit als sehr relativ, weshalb sie wie ein zu stark gebrühter Kaffee alle Mitreisenden in Aufruhr versetzte, indem sie erst so kurz vor Abfahrt in den Zug huschte, dass ihr Mantel fast in der schließenden Tür hängen blieb. Aber nach dem ursprünglichen Schockmoment fanden sich dann alle Damen gemeinsam in der 1. Klasse wieder, und konnten sogar ohne Umstieg, bis Basel fahren, da die DB in der letzten Minute den Zug und Fahrplan geändert hatte, und uns dadurch eine sehr entspannte Hinfahrt und pünktliche Anfahrt bescherte. Das Glück der Lyceinnen begleitete uns also von der ersten Minute an!
Bei unserer Ankunft in St Gallen wurden wir gleich am Bahnsteig mit offenen Armen empfangen. Uns blieb gerade genug Zeit zum Gepäckabgeben und Auffrischen, bevor es auch schon zum Willkommens-Abendessen mit den St Gallener Clubpräsidentinnen, denn sie arbeiten im Team, der Schweizer Föderationspräsidentin, sowie einigen anderen ansässigen Lyceinnen zum Sektempfang und vorzüglichen italienischen Köstlichkeiten in einen privaten Bereich des Restaurants „Baratella“ ging. Schon bei dieser ersten, sehr warmherzigen Begegnung als Teil der viertägigen Festlichkeiten wurde klar, dass alle Clubs sich um mehr Sichtbarkeit und neue Mitglieder bemühen. Ein reger Austausch, wie wir dies bewerkstelligen und uns dabei unterstützen können, war somit vorprogrammiert und sorgte für Gesprächsstoff.
Tag 2: Während wir den Morgen unseres ersten vollständigen Tages in St Gallen frei gestalten konnten, standen der Nachmittag und Abend ganz unter dem festlichen Stern des 100-jährigen Jubiläums unseres Schwesternclubs. Um 13 Uhr fanden wir uns im architektonisch beeindruckenden Pfalzkeller ein, einem runden, halb unterirdischen Gewölbe mit imposanten Deckenlichtspielen, in dem wir als Gäste an der jährlichen Generalversammlung der Schweizer Lyceum Clubs teilnehmen durften. Dies war ein besonderes Highlight, da es äußerst spannend war zu erleben, wie andere Nationen ihre Mitgliederversammlungen gestalten. Eröffnet wurde das Prozedere von dem charmanten A-cappella-Chor „Frauenstimmen“, welcher uns mit humorvollen Stücken vergnüglich stimmte. Der Chorleiter war übrigens der einzige Mann im Saal, umgeben von 200 Lyceinnen der insgesamt 1.116 Mitglieder aller 11 Schweizer Clubs und natürlich uns Kölner Damen.
Nach der Begrüßung der Föderationspräsidentin, auf deutsch, französisch und italienisch, wurde ein sehr strukturierter und zügiger Ablauf von Berichten, Jahresrückblick und Finanzoffenlegung befolgt, der illustrierte, dass die Clubs in unserem Nachbarland sehr gut organisierte Rollenverteilungen schätzen. So gibt es dort nicht nur die üblichen Vorstandsämter wie in Deutschland, sondern eigens dafür zuständige Webmasterinnen sowie Rechts- und in jedem Club Datenschutzbeauftragte. Oftmals wird auch im Team gearbeitet. Natürlich profitiert die Schweiz hier enorm von den höheren Mitgliederzahlen im Vergleich zu uns in Deutschland. Allerdings sehen die Damen auch dort die Sichtbarkeit der Clubs als Herausforderung, weshalb in den letzten zwei Jahren viel Zeit, Aufwand und auch Kapital in den neuen Internetauftritt der Schweizer Lyceum Clubs investiert wurde. Zusätzlich veranstalteten die Schweizerinnen einen landesweiten Dirigentenwettbewerb, der ebenfalls für Aufmerksamkeit sorgte. Trotz vieler kreativer Lösungen und schon einiger Fortschritte, liegt der Fokus weiterhin auf der Gewinnung neuer Mitgliederinnen, vor allem in der Altersgruppe 60 – 65.
Der Schweizer Föderationspräsidentin, Astrid Müller-Beer, liegen vor allem die Alleinstellungsmerkmale des ILC sehr am Herzen. Zum Beispiel der Austausch nach Clubevents und die internationale Vernetzung. Sie möchte den Club bekannter machen, indem gezeigt wird, was er anderen Clubs voraushat. Hierzu besuchte sie im letzten Jahr alle Schweizer Clubs persönlich, um Vorschläge und Anregungen in Empfang zu nehmen. Frau Müller-Beers Fazit: Die Damen in den Clubs müssen sich mehr engagieren und offen für neue Ziele und jüngere Mitgliederinnen sein. Eine Einschätzung, der wir in Deutschland nur lebhaft beipflichten können.
Zum Abschluss hatten wir noch einmal das Vergnügen, den „Frauenstimmen“ lauschen zu dürfen, bevor bei erfrischendem Apero neue Vernetzungen und Ideen belebt wahrgenommen wurden.
Dann hieß es aber auch schon umziehen und in die Abendgarderobe schlüpfen, bevor es zum feierlichen Galadinner im Festsaal des Hotels Einstein ging. An langen Festtafeln saßen die Mitgliederinnen aller Schweizer Clubs buntgemischt mit uns Kölnerinnen. Das Gala-Dinner war nicht nur kulinarisch ein Genuss, sondern wurde durch bewegende Reden und beeindruckende musikalische Darbietungen bereichert. Es war ein schillernder Abend an dem das 100-jährige Bestehen des Lyceum Club St Gallen gebührend gefeiert wurde. Also, liebe St Gallener Schwestern, herzlichen Glückwunsch zum hundertsten Geburtstag!
Tag 3: Der folgende Tag stand im Zeichen von Kultur und Bildung. Aufgrund der Jubiläumsfeier waren vielen Damen der anderen Clubs noch nicht abgereist, weshalb vier verschiedene Führungen angeboten wurden, für die man sich vorab anmelden konnte, und welche die Gelegenheit boten, St. Gallen besser kennenzulernen. Zur Auswahl stand eine Führung der St Laurenzen-Orgel mit anschließender Turmbesteigung, eine Besichtigung des Forum Würth, welches Kunst am See eindrucksvoll ausstellt, ein Besuch des Stiftsbezirks, mit der berühmten Stiftsbibliothek, welche zu den zehn schönsten und meist-fotografierten der Welt zählt, sowie eine Tour durch die Universität St Gallen (HSG), mit ihrem neuen, schlichten architektonischen Schmuckstück, dem „Square“.
Das Besondere an der Universität ist nicht nur ihre offene Atmosphäre, sondern auch, dass sie Kunstwerke von Giacometti bis Gerhard Richter und Miro mitten unter wuselnden Studenten, an den verschiedensten Ecken und ganz ohne Sicherheitsvorkehrungen zugänglich macht. Kunst ist hier ein essenzieller Bestandteil des alltäglichen Studentenlebens und wird, frei von Vandalismus, von allen respektiert und geschätzt. So ein ‚sozialer‘ Umgang mit Kunst war fantastisch zu sehen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem wir dank der sorgfältigen Planung unserer Gastgeberinnen wieder vorzüglich versorgt wurden, verabschiedeten sich die Mitglieder der schweizerischen Clubs, und wir Kölnerinnen verbrachten den restlichen Tag mit unseren St. Gallener Clubschwestern. Wir können es tatsächlich nicht oft genug sagen, aber wir waren und sind zutiefst beeindruckt von der gesamten Organisation und der wahnsinnigen Liebe zum Detail, die in die Vorbereitung und Planung jedes einzelnen Tages gesteckt wurde.
Danach ging es schnurstracks zum Jodeltraining. Das haben Sie richtig gelesen, die Kölnerinnen haben das Jodeln gelernt! Und zwar gleich mehrstimmig und auf Schweizerdeutsch. Es war wirklich ein besonderes Vergnügen, welches perfekt zum Motto unserer Reise passte: „Tradition und Moderne“. Auch unsere kreative Seite kam nicht zu kurz – Rita Abelein gab ihr Bestes beim Dichten eines Liedtextes.
Den krönenden Abschluss des Tages bildete ein Abend, der die Frauenförderung wundervoll veranschaulichte. Zuerst zeigten uns die Schweizer Ladies, wie sie bei ihren „Line Dance Workshops“ gelernt hatten, das Tanzbein zu schwingen. Dann wurde mit feierlichen Reden und Danksagungen für das gegenseitige Engagement in der Clubpartnerschaft unsere Präsidentin Heidi Esser auch nochmal persönlich geehrt.
Aber der absolute Höhepunkt war unsere Stipendiatin Sarah Bergé, die das Publikum mit ihrem Trio „Mesdames Musicales“ (www.mesdamesmusicales.com oder bei Instagram) im Kleintheater Trouvaille begeisterte. Das magische Konzert verbreitet einerseits pure Lebensfreude, aber ließ vielleicht auch die ein oder andere in Er-innerungen schwelgen. Emotional mitreißend war es allemal, was zu Standing Ovations am Ende führte und von einem fulminanten Auftritt und einem herausragenden Abend zeugt.
Natürlich wollten alle Damen wissen, wann sie die „Mesdames Musicales“ denn das nächste Mal sehen und hören können. Tja, und das ist dann wieder in Köln, bei unserem Konzertabend im Sancta Clara Keller am 07. November 2025, zu dem sich bereits einige Schweizerinnen angemeldet haben. Wir freuen uns jetzt schon auf das Wiedersehen mit unseren Clubschwestern und den Genuss einer weiteren Darbietung dieser jungen Ausnahmekünstlerinnen!
Tag 4: Am Freitag konnten wir unser Programm selbst gestalten. Einige Damen nutzten ihn, um Sehenswürdigkeiten zu besuchen, die sie vielleicht noch nicht gesehen hatten. Oder einfach durch die bezaubernden Gässchen der Altstadt zu schlendern. Andere ließen sich durch das Shoppingangebot verführen, um einige neue Lieblingsstücke oder Schätze für die Familie zu ergattern. Besonders die Nähbegeisterten Fashionistas unter uns mussten viel Selbstkontrolle aufbringen, um nicht bei den vielen tollen Stoffen, denn St Gallen ist schließlich für seine Tuchkunst bekannt, ganz und gar die Haushaltskasse zu sprengen.
Aber einige Kölnerinnen nutzten auch die Gelegenheit, um die betörende Schönheit von Appenzell zu erkunden. Natürlich wurden sie auch hierbei hervorragend betreut. Anne Thürlimann holte sie am Hotel ab und begleitete die Damen auf der Bahnfahrt, bei der sie schon mit viel Wissenswertem versorgt wurden.
Am Bahnhof Appenzell wartete dann Barbara Gröbli. Die beiden Schweizer Lyceinnen machten unsere Touristinnen auf alles Sehenswerte aufmerksam und zeigten ihnen die Besonderheiten. Vor allem die Freundlichkeit und Herzlichkeit, die ihnen entgegengebracht wurden, hinterließen bei unseren Damen einen nachhaltigen Eindruck. Aber das Shoppen kam auch hier nicht zu kurz, denn sie erstanden in netten Geschäften manche Spezialität und Köstlichkeit. Zum Abschied am Bahnhof versprachen sich alle Clubschwestern, in persönlichem Kontakt zu bleiben, was Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft unsere Clubs und unserer Verbundenheit macht.
Leider hatten wir nicht damit gerechnet, dass eine Gruppe von zehn Damen an einem Freitagabend nirgendwo in St Gallen noch eine Tischreservierung bekommen konnte. Die Schweizerinnen scheinen sehr ausgehfreudig zu sein, weshalb trotz einer Vielzahl von Restaurants, nirgends noch frei war. Doch unsere Schwester-präsidentinnen fanden auch hierfür eine Lösung, indem sie uns kurzerhand zu sich nach Hause zu Risotto, hors d’oeuvres und Dessert einluden. Solche Macherinnen schreckt einfach nichts ab, und ein ad hoc Abendessen für 13 Personen scheint da ein Klacks zu sein, zumindest lassen es diese Wonderwomen so wirken. Wie alles bei dieser wundervollen Reise versprühte das gemütliche und wahnsinnig leckere Abendessen Leichtigkeit und Herzlichkeit. Was für ein charmanter Abschlussabend für eine absolut wundervolle Reise.
Vielen lieben Dank an unsere fantastischen Gastgeberinnen.
Tag 5: Samstagmittag bestiegen wir nach vier wunderschönen, erfahrungsreichen, austauscherfüllten, aber auch ein wenig anstrengenden Tagen aufgrund des voll ausgelasteten Programms, etwas wehmütig unseren Zug zurück in die Heimat. Nachdem wir noch schnell ein paar Postkarten an einige Kölner Clubschwestern verschickten, die leider nicht dabei sein konnten, fuhren wir pünktlich und zügig ab, der Schweizer und Deutschen Bahn sei Dank! Wir hatten bei unseren Zugreisen wirklich viel Glück und konnten nichts beanstanden. Der öffentliche Verkehr kann also durchaus eine verlässliche und entspannte Reise ermöglichen. An dieser Stelle möchten wir uns herzlichst bei unseren phänomenalen Gastgeberinnen bedanken, Maria Pia Cavelti-Giuliani, Elisabetta Rickli-Pedrazzini, Esther Bannwart-Notter und den vielen wundervollen Schweizerinnen, die diese Reise zu einem unvergesslichen, fantastisch organisierten und schwesterlichen Ereignis für uns machten. Vielen Dank! Ein ganz herzliches und besonderes Dankeschön gilt auch Sonya Fryberg, die unsere Vizepräsidentin in ihrem liebevoll eingerichteten Heim beherbergt und mit Leckereien und Fahrdiensten umsorgt hat. Da unsere Vizepräsidentin nämlich noch voll berufstätig ist, und deshalb nebenher online arbeiten musste, wäre sie ohne Sonyas Einsatz und Unterstützung weder pünktlich zu den Veranstaltungen gekommen, noch zwei Kilo schwerer nach Hause, gefüllt mit vorzüglichem Käse, bester Butter und allerlei Leckerbissen. Wir alle haben uns bestens aufgehoben, umsorgt und willkommen gefühlt. Dankeschön!
Unsere Reise nach St. Gallen war ein unvergessliches Erlebnis voller herzlicher Begegnungen, inspirierender Eindrücke und besonderer Momente.