Von Barbara Elsig
Zehn Teilnehmerinnen trafen sich am Donnerstag, den 12. Oktober 2017 in der „Kölschen Stube“ im Hotel Lindner. Bei Kaffee und Kuchen stellte sich die Referentin Frau Dr. Rita Rosen vor.
Frau Dr. Rosen hat einen interessanten Werdegang. Sie stammt aus Blankenheimerdorf in der Eifel. Seit zwanzig Jahren lebt sie in Wiesbaden, wo sie Soziologie und Theaterpädagogik an der ehemaligen Fachhochschule (heute Hochschule Rhein/Main) unterrichtete. Sie leitete u.a. als „Kulturbeauftragte der Hochschule“ eine Schreibwerkstatt. Als Mitglied der „Deutschen Haiku- Gesellschaft“ leitet sie einen „Haiku-Kreis“ in Wiesbaden. Dort werden von den Mitgliedern Haikus gedichtet und vorgelesen. Gelegentlich wird auch gemeinsam um Formulierungen gerungen.
Frau Dr. Rosen erklärte, was man unter einem Haiku versteht: In Japan zählt das Verfassen, Hören und Lesen lyrischer Gedichte zum Kulturgut. Dabei handelt es sich um Kurzgedichte, das Tanka und das Haiku. Das Tanka ist ein Fünfzeiler mit einunddreißig Silben, das Haiku ist ein Dreizeiler mit nur siebzehn Silben, das sich aus dem Tanka entwickelt hat. Ein Haiku ist demnach eine sehr reduzierte Gedichtform.
Die Kürze des japanischen Gedichtes findet auch auf anderen Gebieten der japanischen Kultur Parallelen. Beispiele dafür sind die Kunst des Blumenordnens (Ikebana) oder die japanischen Miniaturgärten. Allen
gemeinsam ist das Bestreben, vollendet Schönes mit sparsamsten Mitteln und auf kleinstem Raum zu gestalten. Etwa seit dem 15. Jahrhundert wurde unter dem Einfluss des Zen-Buddhismus in der Lyrik eine bestimmte Wirkung angestrebt – die des Unvollendeten, Angedeuteten. Einer der bekanntesten Haiku-Dichter war ein Zen-Mönch (Bashô. 1643-1694).
Ein Haiku besteht immer aus drei Zeilen. Beim klassischen Haiku hat die erste Zeile 5 Silben, die zweite Zeile sieben Silben und die dritte Zeile wieder fünf Silben. Diese wenigen Silben zwingen dazu, in knappster Form eine Aussage zu machen. Dabei bilden die erste und die zweite Zeile eine inhaltliche Einheit, während die dritte Zeile im Idealfall über das zuvor Gesagte hinausweist, manchmal auch mit einer Frage enden kann.
Mittlerweile werden Haikus in sehr vielen Sprachen verfasst. Sie werden naturgemäß deshalb oft nicht mehr im strengen Sinne des Zen-Buddhismus aufgefasst, sondern unterliegen vielfältigen Wandlungen. Immer geht es darum, in knappster Form eine lyrische Aussage zu machen. Wobei ein siebzehnsilbiger Vers angestrebt wird. Daneben gibt es inzwischen auch Haikus im Freestyle.
Frau Rosen las eigene Beispiele von Haikus vor.
schließe ein Bild in dein Herz, verwahre es gut, dort vergilbt es nicht
lärmende Kinder auf dem Schulhof nahe bei, mein Teekessel summt
Es gab dabei eine Überraschung für uns: Frau Rosen trug auch Haikus in Eifeler Platt vor! Sie hat ein ganzes Büchlein davon verfasst und erzählte uns, dass ihr das ganz besondere Freude gemacht habe.
unse Jenster blöet
de Strüücher jlöen – lütter Jold et es Eefeljold.
unser Ginster blüht
die Sträucher glühn – lauter Gold es ist Eifelgold
Neben dem Haiku als kurze Gedichtform gibt es auch eine kurze Prosaform in Japan, das Haibun. Hier werden Eindrücke oder Erfahrungen skizzenhaft und knapp aufgeschrieben. Die Themen beruhen immer auf einem wirklichen Erlebnis. Ein Haibun kann auch ergänzt werden durch literarische Zeugnisse, Liedstrophen, Sachkenntnisse. Wichtig ist dabei stets die subjektive Betroffenheit des Verfassers. Fast immer beinhaltet das Haibun auch ein Haiku. Es kann an verschiedenen Stellen in das Haibun integriert sein: Am Anfang, irgendwo in der Mitte oder am Ende des Prosatextes.
Frau Rosen erklärte uns zusätzlich auch noch, was ein Haiga ist. Hierbei handelt es sich um die Kombination von Bild und Text. Ein Bild wird dabei mit einem Haiku ergänzt.
Die Zeit verging viel zu schnell. Alle waren sich einig: „Auf diesen Vortrag muss eine Fortsetzung folgen“.
Frau Rosen versprach, uns im nächsten Jahr wieder zu besuchen.