Erfahrungsbericht ihres Aufenthalts in London von unserer Stipendiatin Alexandra Wende:
London Calling!
Liebe Damen des Internationalen Lyceum Club Köln,
da ich mich zurzeit in meinem Auslandssemester in London befinde und daher leider nicht an Ihrer vorweihnachtlichen Feier teilnehmen kann, habe ich mir gedacht, ich lasse Ihnen einen „kurzen“ Bericht mit ein paar Bildern zukommen, so dass Sie dennoch einen Einblick bekommen, was ich hier momentan mache und wie es mir hier geht.
Das Wichtigste zunächst einmal direkt am Anfang: Mir geht es sehr gut und ich fühle mich hier wirklich wohl. Es wurde und wird einem hier sehr einfach gemacht, sich gut einzuleben, und ich habe meine Entscheidung, für ein Jahr hier zu studieren, bisher keine einzige Sekunde lang bereut!
Das Auslandssemester läuft über das Erasmus +-Programm des Englischen Seminars I der Uni Köln. Das University College London (UCL) ist eine der Partneruniversitäten dieses Programms, für die ich mich zum einen selbstverständlich wegen des Standorts, zum anderen aber auch wegen des akademischen Angebots entschieden habe. So studiere ich hier – vermutlich entgegen der meisten Erwartungen – nicht hauptsächlich Englisch, sondern tatsächlich Deutsch. Was zugegebenermaßen zunächst etwas widersprüchlich wirkt, ist eigentlich sehr interessant, da man hier eine andere Perspektive auf viele Dinge bekommt und gerade kultur- wissenschaftliche Aspekte ganz anders behandelt werden.
Das UCL ist eine von mehreren Universitäten in London und gehört neben Namen wie Cambridge und Oxford zu den führenden Elite-Universitäten. Sie wurde ursprünglich als Alternative zu diesen beiden damals streng religiösen Universitäten gegründet und war die erste Hochschule in England, an der Studenten unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder politischen Einstellung studieren konnten.
Auch heute hat das UCL den Ruf, „London’s Global University“ zu sein, und – zumindest dem nach, was ich bisher hier erlebt habe – wird sie diesem Ruf auch voll und ganz gerecht. Als internationale (Austausch-)Studentin habe ich mich hier wirklich mehr als willkommen gefühlt! So wurden uns nicht nur im Voraus alle notwendigen Informationen bereits von den entsprechenden Ansprechpartnern, die auch für sämtliche Rückfragen unsererseits offen waren, zugeschickt, sondern es gab auch direkt bei unserer Ankunft diverse Einführungs- veranstaltungen, so dass man sich nie verloren vorkam.
Bei der Kurswahl wurde einem auch die entsprechende Unterstützung angeboten, so dass ich im Endeffekt sicher sein konnte, dass sich meine Kurse nicht überschneiden, ich aber trotzdem die Kurse machen konnte, die ich belegen wollte bzw. musste. Das akademische Jahr gliedert sich hier nicht wie in Deutschland in zwei Semester, sondern in drei Terms.
In den ersten beiden Terms hat man jeweils vier Kurse, im dritten schreibt man ausschließlich Prüfungen. Das erste Term neigt sich langsam dem Ende zu und dementsprechend kann ich zumindest zum ersten Term schon eine Art Fazit ziehen. Ich belege ich einen Kurs zu Wolfram von Eschenbachs Parzival, einen zu österreichischer Literatur, einen zu Aspects of European Thought und einen Linguistik-Kurs im Bereich der Phonetik und Phonologie. Ich muss zugeben, dass deutsche mittelalterliche Literatur auch hier in England einfach nicht mein Lieblingsgebiet ist, allerdings kann ich mir den Parzival-Kurs in Köln als Hauptseminar anrechnen lassen. Der Kurs zur österreichischen Literatur und der zu Aspects of European Thought decken Bereiche ab, die so in meinem Studium in Köln nicht behandelt werden, da insbesondere letzterer, der Philosophen wie Kant, Marx und Nietzsche umfasst, den Fokus viel mehr auf kulturwissen-schaftliche Aspekte legt, was sehr interessant ist. Mein Lieblingskurs ist allerdings der Linguistik- Kurs, da wir hier die Theorie, die wir lernen, immer direkt in der Praxis in Laborstunden anwenden. In Köln erhalten wir im Vergleich hierzu als Lehramtsstudenten nur wenig Einblick in die experimentelle allgemeine Sprachwissenschaft. Da ich allerdings plane, meine Bachelorarbeit direkt im Anschluss an meinen Auslandsaufenthalt im Bereich der angewandten englischen Sprachwissenschaft zu schreiben, ist es wirklich sehr hilfreich, hier diesen zusätzlichen Input zu bekommen. Und ein kleiner Aspekt am Rande: Herzogin Kate hat das Linguistik-Institut letzte Woche besucht, allerdings hatte ich an dem Tag keinen Kurs und habe sie daher leider nicht gesehen.
Im zweiten Term werde ich dann voraussichtlich einen Kurs zur Empathie in der deutschen Literatur, einen dazu, wie London in verschiedenen Medien dargestellt wird, und zwei weitere Linguistik-Kurse belegen. Insbesondere diese Kurse sind um einiges interdisziplinärer als die in Köln und enger mit der aktuellen Forschung der jeweiligen Professoren verbunden, was interessante neue Einblicke sind, auf die ich mich schon sehr freue.
Als Austauschstudent für ein ganzes akademisches Jahr hat man Anspruch auf einen Platz in einem der Studentenwohn- heime, die hauptsächlich in Bloomsbury (dem Stadtteil, in dem sich die Universität befindet) und Camden liegen. Hier werden die verschiedensten Arten der Unterkunft angeboten: catered oder self-catered, Einzel- oder Doppelzimmer, eigenes oder gemeinsames Bad, eigene oder gemeinsame Küche und und und… Auch hierfür lief die Bewerbung bereits weit im Voraus online ab, in der man verschiedene Präferenzen auswählen konnte. Nachdem ich mir einige Erfahrungsberichte aus den Vorjahren durchgelesen und mich mit ein paar Leuten, die bereits hier waren, unterhalten hatte, habe ich mich letztendlich dafür entschieden, mich für ein Einzelzimmer mit eigenem Bad und geteilter Küche in einem self-catered Studentenwohnheim zu bewerben und als höchste Priorität die Nähe zur Universität anzugeben.
Ich hatte bei der Zuteilung der Wohnheime, wie sich schnell gezeigt hat, enormes Glück und bin im Studentenwohnheim namens John Adams Hall untergekommen, das wirklich nah an der Universität liegt – die Universität erstreckt sich ähnlich wie die Uni Köln über einen ganzen Stadtteil und ist keine richtige Campus-Universität, allerdings bin ich bis jetzt noch nie länger als zehn Minuten zu meinen Kursen gelaufen, zweimal pro Woche habe ich sogar in dem Gebäude direkt gegenüber von meinem Wohnheim Kurse! Darüber hinaus wurde das Wohnheim im letzten Jahr vollständig renoviert, so dass dort trotz Altbau alles sehr hell und modern eingerichtet ist.
Man muss allerdings auch sagen, dass man hier für den wöchentlichen (!) Mietpreis von 246 Pfund bei Weitem nicht den Standard erwarten kann, den man in Köln für dieses Geld erwarten könnte. So kommt es durchaus das eine oder andere Mal vor, dass man morgens kalt duscht, das Internet nicht richtig funktioniert oder sich der Herd in der Küche mitten in der Nacht selbstständig macht. Allerdings sind auch hier in der Regel rund um die Uhr Ansprechpartner entweder an der Rezeption im Eingangsbereich oder im Notfall telefonisch erreichbar.
Während in anderen Wohnheimen teilweise fast ausschließlich internationale Studenten wohnen, ist meines glücklicherweise gut gemischt zwischen Muttersprachlern, internationalen Studenten (die ganz normal hier studieren) und Austausch- studenten (die wie ich nur für einen bestimmten Zeitraum hier sind). So teile ich mir beispielsweise meine Küche mit zwei Engländern, einer Schwedin, einem Franzosen, einem Polen und vier Chinesinnen.
Auch in den verschiedenen Clubs und Societies, die von der Student Union organisiert werden, sind Muttersprachler und Nicht-Muttersprachler gut gemischt und man fühlt sich überhaupt nicht benachteiligt – auch wenn es zugegebener- maßen nach wie vor teilweise schwierig ist, Muttersprachler z.B. am Telefon oder bei lauter Musik richtig zu verstehen. Durch die Societies, die für jegliche erdenkliche Interessen- gebiete angeboten werden und denen man für einen geringen Mitgliedsbeitrag beitreten kann, lernt man sehr schnell viele Leute kennen, die die gleichen Interessen teilen und ähnlich „ticken“ wie man selbst. Ich habe mich dazu entschieden, dem Swimming Club, der German Society, der Harry Potter Society und der Musical Theatre Society beizutreten.
Selbstverständlich hat London als Stadt auch unabhängig von der Universität ein unglaublich großes kulturelles Angebot – sei es im Bezug auf Restaurants, Theater, Musicals, Museen oder Clubs zum Feiern! Allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, dass London dadurch auch eine teils sehr hektische und volle Stadt ist, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste. Das ist mir allerdings erst aufgefallen, als wir mit dem Swimming Club auf einem Tagesausflug in Cambridge waren und es dort auf einmal so ruhig war – zugegebenermaßen könnte ich es mir aber auch überhaupt nicht vorstellen, für ein ganzes Jahr in so einer ruhigen Stadt zu leben, auch wenn Cambridge tatsächlich damals in der Erasmus-Bewerbung meine Zweitwahl war!
Ich glaube, man muss in einer Stadt wie London einfach seinen eigenen Ausgleich finden (sei es ein ruhiges Café, in das man sich zurückzieht, ein Park, in dem man spazieren geht, oder der Sport, bei dem man sich verausgabt) – auch hierzu gibt es in London genug Möglichkeiten, man muss nur die Augen dafür offenhalten!
In den kommenden Wochen werde ich nun vor allem die Vorweihnachtszeit hier in London genießen (mit der Beleuchtung wurde hier schon vor Halloween angefangen!) und nebenbei noch die letzten Studien- und Prüfungsleistungen für dieses Term ablegen. Außerdem stehen noch Tagestrips in Städte wie Brighton, Oxford und eventuell Bristol oder Bath (die Stadt, aus der die Charaktere in meinem Englischbuch damals in der Schule kamen und mit der alles angefangen hat) auf meiner To-Do-Liste. Abgesehen davon lasse ich mich einfach überraschen, was sich hier noch für Möglichkeiten ergeben – ich bin mir sicher, davon wird es genügend geben!
Insgesamt kann ich also sagen, dass ich, obwohl es etwas seltsam ist, sich wieder neu in einer fremden Stadt und an einer neuen Universität einzugewöhnen, unglaublich dankbar bin, die einmalige Möglichkeit zu haben, in dieser wunderbaren Stadt und an dieser hoch angesehenen Universität zu studieren. Der Aufenthalt hier ist nicht nur sprachlich, sondern auch akademisch, kulturell und persönlich eine große Bereicherung für mich.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal bei Ihnen allen von ganzem Herzen bedanken, denn ohne Ihre (finanzielle) Unterstützung in den vergangenen zwei Jahren hätte ich nicht einmal im Traum daran denken können, mir diesen langersehnten Wunsch zu erfüllen. Allein bei der bereits angesprochenen monatlichen Miete von über 1000 Pfund und den zusätzlichen Lebenshaltungskosten, die ebenfalls deutlich höher sind als in Deutschland, wurde mir durch Ihre Unterstützung eine riesige Last von den Schultern genommen.
Das gesamte Stipendium der letzten zwei Jahre habe ich neben dem Geld, das ich durch meine Nebenjobs verdient habe, genau hierfür gespart. Somit hoffe ich, dass Sie nun vielleicht eine etwas bessere Vorstellung davon haben, worein genau dieses Geld investiert wurde.
Gestern habe ich auch die offizielle Zusage für die Weiter- förderung für die nächsten zwei Semester bekommen, wodurch ich nun noch etwas entspannter den Kosten, die hier monatlich auf mich zukommen, entgegenblicken kann und auch das eine oder andere Angebot mehr wahrnehmen kann, das London zu bieten hat.
In diesem Sinne noch einmal ein großes DANKESCHÖN dafür, dass Sie mich bei meinem Vorhaben unterstützt haben und auch weiterhin unterstützen – das bedeutet mir wirklich viel!
Ganz liebe Grüße aus London und bis bald, Alexandra.